[Gastbeitrag Biskaya] - Maheas Blauwasser Taufe
Im TGV von Zürich nach Paris haben Sandra, Stephan und ich versucht, unsere Nervosität vor dem bevorstehenden Abenteuer mit einer seriösen Planung der Überfahrt zu kompensieren. So haben wir einige Zeit damit verbracht, diverse nautische Daten zu vergleichen, um einen perfektenSlot für die Überfahrt zu finden. Wenn ich Daten sage, dann meine ich Windstärken, Windrichtungen aus diversen Quellen, Wellenhöhen und Wellenabstände und nicht zuletzt denStandort der angriffslustigen Orcas, die in den letzten Monaten für Schlagzeilen gesorgt haben, weil sie gerne Segelyachten unter 14 Meter als Spielzeug nutzten. Speziell bei dieser Angabe wurde es uns doch etwas mulmig, da die Hallberg mit ihren 11 Metern ein perfektes Ziel ist. Gemäss Berichten setzen die verspielten Riesen das eine oder andereMal eine Ruderanlage ausser Gefecht, was natürlich dann das Ende der Überfahrt bedeutet hätte. Nun gut, viele Unsicherheitsfaktoren, die eben ein Abenteuer ausmachen.
Nachdem dann für die Mahea die Überfahrt von Guernseynach Roscoff doch noch geglückt ist, haben wir einen ziemlich aufgekratzten Alex in Empfang genommen. Da Nalani beim ersten Versuch seekrank wurde, hat Alex die Kleine zusammen mit Ina wieder zurück nach Guernsey gebracht.Tags darauf hat er die 12 stündige Überfahrt pragmatischselber in die Hand genommen. Wenn Alex Mal zum Einhandsegler wird, dann wurde hier wohl der erste Stein gelegt. Warten wir Mal ab, ob er Blut geleckt hat.
Nach etwas Ankommen, einer Abstimmung der Planung und einem gemütlichen ersten Abend auf der Mahea stachen wir dann am nächsten Morgen für einen ersten Schlag in See. Ziel: L'Aber Vrach. Auch wenn ich normalerweise Besuche an Orten vermeide, die ich nicht aussprechen kann, so schien das der perfekte Ausgangsort für unsere Biskaya Überfahrt zu sein.
Montag, 30. Mai 2022 um 05:13Uhr. Drei kompletten Menüsvorgekocht, alles gut vertäut und mit den aktuellsten Wetterdaten im Visier zeigte sich der ungestüme Ritt auf der Biskaya in den ersten Stunden als zahmer Ausflug, bei dem sich auch bald die ersten Delphine zeigten. So hatten Sandra und ich in unserer ersten Nachtschicht von 02:00 bis 05:00Uhr das Glück, die ganzen drei Stunden von Delphinen begleitet zu werden. Die flinken Schwimmer wurden nur sichtbar durch das grüne und rote Signallicht am Bug der Mahea. Häufigzeugte auch nur das Geräusch, wenn die Delphine an der Oberfläche ihr Blasloch ausbliesen, die Präsenz der Tiere. Das Ausblasen hinterliess jedes Mal eine grün oder rot beleuchtete Dampfwolke, die an einen kleinen Vulkan erinnerte.
Um unser Abenteuer zu komplettieren, hatte die Biskaya für die zweite Hälfte der Überfahrt ein wesentlich anspruchsvolleres Programm im Angebot und dabei war ich froh, dass der Rest der Crew so seefest war. Jetzt offenbarte sich wiedermal, welche Kräfte die See freisetzen kann. Die ersten heftigen Wellen pulverisierten den Autopiloten, was hiess, dass wir den Rest der Überfahrt manuell steuern mussten. Trotz Vorbereitung mit Seekranktabletten hatte ich zu kämpfen mit Übelkeit und Müdigkeit. Steuern ging gut und Schlafen auch, aber der Weg vom Steuer bis zum Klo oder ins Bett machte meinen Sinnesorganen zu schaffen, was eine permanente Übelkeit zur Folge hatte. Alles rollte und bewegt sich und es kam dann schon der Moment, wo ich mich gefragthabe, was ich hier genau mache... und dann half es, wenn Alex ungebrochen irgendwas von Queen oder Elvis zum Besten gabund dabei beim grössten Sauwetter frische Pancakes hinbekam. Das steigerte meine Moral wieder durch die nächste Schicht.
Die Ankunft in A Coruna und die erste Dusche nach dem Ritt brachten Glück, Erleichterung und Stolz hervor. Immerhin haben wir die Biskaya in 62 Stunden hinter uns gebracht. Die nachfolgenden Schläge um das Kap Finisterre bis Muroswaren so friedlich und ruhig, dass ich richtig verarbeiten konnte, was wir gerade erlebt hatten.
Würde ich es wieder machen? Mit der Crew auf jeden Fall. Für mich war es extrem beeindruckend, wie Sandra ihre Schräglagen Angst überwunden hat und die Mahea in ihrer Schicht in absoluter Dunkelheit bei rund 25 Knoten Wind sicher und präzise auf Kurs hielt. Stephan hatte die Schicht mit den härtesten Windverhältnissen und den grössten Wellen. Dabei steuerte er die Mahea felsenfest ihrem Ziel entgegen und wurde über Nacht von Stephan zu Esteban dem Furchtlosen.
Ich freue mich sehr, schliesslich war es ja nicht einfach nur unser Abenteuer. Es war ja letztendlich eine Mission, die es Alex, Ina und Nalani ermöglichen ihren Traum zu verwirklichen. So bin ich dankbar, dass alles so gut geklappt hat und auch die Moral ungebrochen gut blieb. Das ist nicht selbstverständlich und ist nur mit besonderen Menschen möglich. Danke für ein weiteres unvergessliches Abenteuer...
Patrik