Begegnungen

15.06.2022

Als waschechte Berlinarin liegt mir nichts ferner, als auch nur mit der Wimper zu zucken, wenn ich auf der Straße angequatscht werde. Der leere, orientierungslos-suchende Blick, der direkt durch mein Gegenüber durchgeht ist perfektioniert. Nur das kleinste Zeichen, dass ich den Gegenspieler bemerkt habe und das Spiel ist verloren. Wenn man täglich mehrere Stunden in den Öffentlichen durch die Stadt gondelt und alle 42 Sekunden angequatscht wird, eignet man sich Strategien an. Heutzutage ist das sehr einfach: Kopphörer in' Jehörgang, Feierabend.

Oh, wie unhöflich! ? Ja nu, mag sein, spart aber Lebensenergie.

Aaandererseits: verpasst man natürlich auch viele dieser anonymen Zufallsbegegnungen, die das Leben verändern oder mindestens einschneidende Erkenntnisse mit sich bringen und einem auf unerklärliche Weise die Antwort für eine Sache präsentieren, die man seit Wochen mit sich rumschleppt.
Ich hatte schon einiger solcher faszinierender Begegnungen. Meistens auf Reisen, wohl weil ich dann nicht so gehetzt bin und nicht wie sonst keine Sekunde "verlieren" will in meinem Alltagstunnel. Ich bin präsenter und wenn jemand auf mich zukommt mache ich nicht automatisch zu, sondern realisiere, dass dies die Millisekunde ist, in der ich eine Entscheidung treffen kann. Also, warum nicht ein Pläuschchen halten?!

Das kann natürlich auch schief gehen, wie neulich im Wartebereich der Fähre von Guernsey nach Cherbourg. Allerdings war es Mini, die auf den Typen zusteuerte und ihn freundlich mit einem "Halloooho" begrüßte. Es folgte ein kurzes Gespräch, das sich schnell in eine unangenehme Richtung entwickelte. Zu viele persönliche Fragen, zu viel Geschwafel, zu viele seltsame Spitzen. Als dann noch die Frage nach meinem Sternzeichen kam, konnte mein während des Gesprächs immer schlechter gewordenes Englisch gar nicht mehr verstehen, ich verwies aufs Kind und machte mich aus dem Staub. Natürlich stand der Mokel dann alle 10 Minuten wieder "zufällig" neben mir und ich musste den Schalter Richtung Berl-ina umlegen. Der Typ war so hartnäckig, dass ich ihn letztlich zurück pfeifen musste, dass er uns nicht zu Nahe kommen und gehen soll.
 
Und die Moral von der Geschicht‘? Immer Pseudonym nutzen. Schneller rausfinden, dass du einen Psycho gegenüber hast und in Sicherheit bringen. Andernfalls locker machen und gespannt sein wohin die Reise geht.